Friedensappell: Offener Brief nach Krasnojarsk

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister Eremin und Kollege!

Ich wende mich heute als Bürgermeister der deutschen Stadt Erkelenz an Sie. Auch, wenn unsere Städte nicht in einer Partnerschaft miteinander verbunden sind, haben wir eine Gemeinsamkeit: Der Erkelenzer Alexander Wulf ist Sternekoch eines deutsch-russischen Restaurants und ein prominenter Einwohner. Er wurde am 23.06.1982 in Ihrer Stadt Krasnojarsk geboren. In dieser Verbundenheit schreibe ich Ihnen, von Bürgermeister zu Bürgermeister.
Es hätte vielleicht schon früher die Chance verdient, freundschaftlichen Kontakt zwischen unseren Städten herzustellen. In der jetzigen Situation ist daran nur schwer zu denken. Und trotzdem und gerade deswegen suche ich den Kontakt zu Ihnen.

In Erkelenz sind über 300 ukrainische Flüchtlinge angekommen, überwiegend Frauen und Kinder. Sie haben die Flucht ergriffen vor den Gräueln des Krieges und nahmen dafür beinahe 2.500 Kilometer quer durch Europa auf sich.
Inzwischen sind mehr als 4.000.000 Menschen aus der Ukraine geflohen. Sie haben Besitz und Menschen verloren. Sie sind getrennt von ihren Ehemännern und Vätern, die die Ukraine, ihre Heimat, verteidigen. Diese Menschen sind schwer traumatisiert von den Kämpfen. Hier in Erkelenz versuchen die Bürger ihr Möglichstes, um den Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen: Sie spenden Geld, stellen Wohnungen zur Verfügung, unterstützen beim Ankommen.

Herr Eremin, ich appelliere an Sie als Bürgermeister der Stadt Krasnojarsk: Tun auch Sie Ihr Möglichstes gegen den durch Wladimir Putin begonnenen Angriffskrieg auf die Ukraine!
Lassen Sie bitte zu, dass die Bürger Ihrer Stadt Informationen und Meinungen über den Krieg in der Ukraine frei und schadlos austauschen können! Sorgen Sie bitte für die gefallenen und versehrten Soldaten, die aus dem Krieg in der Ukraine zurückkehren sowie für deren Angehörige! Lassen Sie bitte nicht zu, dass der Krieg in der Ukraine zu Hass zwischen Russen, Ukrainern und den Menschen in Europa führt! Und schließlich und inständig: Bitte zeigen Sie Haltung und nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um die Verantwortlichen in Russland dazu zu bewegen, diesen Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen vielen und grausamen zivilen Opfern zu beenden!

Die von der Weltgemeinschaft, auch von Deutschland, gegen Russland verhängten Sanktionen mögen Sie unmittelbar treffen. Doch ist ihr Ziel nicht der Schaden der russischen Bevölkerung, sondern das Ausüben von politischem und gesellschaftlichem Druck, um den durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg auf die Ukraine zu stoppen.

Ich möchte bewusst Ihnen gegenüber nicht moralisch oder anderweitig argumentieren. Nur eines ist mir ganz wichtig: Ich bitte Sie zu erkennen, dass ein Krieg gegen ein befreundetes, verbrüdertes Volk keine Gewinner oder Gewinne kennt, sondern nur Leid und Verlust – an Leben, Ressourcen und Ansehen!

Bitte tun Sie das Ihnen mögliche, um Einfluss zu nehmen – und sei es, indem Sie es den Menschen in Ihrer Stadt ermöglichen, gegen diesen Krieg Partei zu ergreifen.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Muckel

Bürgermeister"